Effektiver Hitzeschutz am Arbeitsplatz
Die vergangenen zehn Jahre zählen zu den wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Auch 2025 bricht wieder Hitzerekorde. Der sich beschleunigende Klimawandel stellt neue Anforderungen an Unternehmen, um die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten.
Neben den Unternehmensrisiken durch Produktionsausfälle, Lieferkettenstörungen und erhöhte Instandhaltungskosten zeigt eine aktuelle Befragung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) unter Fachkräften für Arbeitssicherheit sowie Betriebsärzten, dass der Klimawandel sich auf die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz auswirkt. Unternehmen sollten auf solche Herausforderungen reagieren, um Produktivitätsverlusten, erhöhten Fehlzeiten und rechtlichen Konsequenzen bei unzureichenden Schutzmaßnahmen vorzubeugen.
Hinweis:
Veränderte Klimabedingungen begünstigen die Entstehung neuer Arbeitsschutzrisiken. So steigt mit den Durchschnittstemperaturen z. B. auch die Gefahr bislang exotischer Infektionskrankheiten, die durch sich neuerdings in Deutschland ausbreitende Wirtstiere wie Asiatische Tigermücken übertragen werden.
Hinweis:
Die Rechtslage wird aktuell diskutiert und möglicherweise verschärft. Politische Initiativen fordern eine Pflicht zu Hitzeschutzmaßnahmen ab 26° C am Arbeitsplatz und bei Nichtbeachtung der Vorgaben ein Recht auf Hitzefrei.
Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Basis für den Hitzeschutz am Arbeitsplatz bildet § 3 Arbeitsschutzgesetz, der die Pflicht zur Gestaltung der Arbeitsumgebung und -bedingungen beim Arbeitgeber sieht. Das Gesetz wird durch die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A3.5 „Raumtemperatur“ konkretisiert.
Stufe 1
Ab 26° C kann der Arbeitgeber erste Maßnahmen zum Hitzeschutz ergreifen, etwa durch das Aufstellen von Ventilatoren, Gleitzeitangebote, eine gelockerte Kleiderordnung oder die Bereitstellung von kostenlosen Getränken. Es greift bereits der Schutz von vulnerablen Beschäftigten wie werdenden oder stillenden Müttern, Jugendlichen, chronisch Erkrankten oder Älteren.
Stufe 2
Sobald im Büro 30° C erreicht sind, muss der Arbeitgeber die erforderlichen Schutzmaßnahmen treffen.
Stufe 3
Wird eine Temperatur von 35° C überschritten, darf ein Raum ohne spezielle technische Kühlvorrichtungen nicht mehr als Arbeitsraum genutzt werden .
Psychische Folgen von Hitze
Hitze wirkt sich negativ auf Schlafqualität und Resilienz aus. Die Folgen sind Unaufmerksamkeit, verlangsamte Reaktionen und eine Zunahme von Fehlern bei der Arbeit. Die Fähigkeit zur emotionalen Selbstregulierung sinkt, Gereiztheit und Aggression nehmen zu. Daher kann es sinnvoll sein, in Hitzestress-Situationen die Personendichte im Raum unter Kollegen bzw. (wartenden) Kunden zu reduzieren.
Gesundheitliche Folgen
Die Sonneneinstrahlung kann insbesondere hinter großen, unverspiegelten Glasflächen sehr intensiv werden. Auch Arbeitsplätze unter mangelhaft gedämmten Dächern führen zu erhöhter Hitzebelastung. Neben gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Schwindel und Kreislaufproblemen bis zum Hitzschlag kann auch die Konzentrationsfähigkeit sinken. Die Folge: Produktivitätsverringerung, häufigere Fehler und ein erhöhtes Risiko für Arbeitsunfälle. Studien zeigen, dass bereits bei Temperaturen über 25° C die Leistungsfähigkeit merklich abnimmt, bei über 30° C kann sie um bis zu 50 Prozent sinken.
Anzahl der Sommer- und Hitzetage in Deutschland und hitzebedingte AU-Tage
Jahr | Sommertage über 25° C | Hitzetage über 30° C | AU-Tage durch Hitze und Sonnenlicht |
---|---|---|---|
2015 | 43 | 18 | 51.656 |
2016 | 45 | 9 | 35.008 |
2017 | 39 | 7 | 40.492 |
2018 | 75 | 20 | 81.424 |
2019 | 52 | 17 | 73.941 |
2020 | 45 | 11 | 40.433 |
2021 | 37 | 5 | 32.356 |
2022 | 59 | 17 | 71.170 |
2023 | 57 | 11 | 92.722 |
Datenquellen: Deutscher Wetterdienst (DWD), Jahresstatistik der GKV im Bereich Krankengeld
Konkrete Hitzeschutz-Maßnahmen
Der erste Schritt zu effektivem Hitzeschutz in geschlossenen Räumen ist eine systematische Gefährdungsbeurteilung nach DGUV Information 215-510. Darin sollte auch eine Einschätzung der aktuellen und künftigen UV-Exposition, der Temperaturen in den einzelnen Räumen im Unternehmen („Heat Map“) und der körperlichen Hitzebelastung am Arbeitsplatz vorgenommen werden.
Der betriebseigene Hitzeschutzplan legt fest, welche Maßnahmen bei den oben genannten drei Stufen automatisch ergriffen werden müssen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) empfiehlt für Hitzeschutzmaßnahmen die TOP-Hierarchie. Danach haben technische Maßnahmen Vorrang vor organisatorischen, diese wiederum vor personenbezogenen Schutzmaßnahmen.
Zudem lohnt es sich, die Erfahrungen der letzten Jahre zu nutzen, um ab Herbst entsprechende bauliche und organisatorische Veränderungen einzuplanen sowie die Gefährdungsbeurteilungen um aktuelle Informationen zur Hitzeprävention zu ergänzen.
In Gebäuden sind technische Lösungen die erste Wahl. Hitzereflektierende Außenanstriche und Dächer, Beschattungsanlagen, UV-Filterfolien, intelligente Belüftungssysteme und Klimageräte können die Hitzebelastung erheblich reduzieren. Eine klimagerechte Raumgestaltung durch Verkleinerung der Glasflächen, bauliche Maßnahmen oder bepflanzte Dachflächen zahlt sich langfristig aus. Hitzeerzeugende Geräte sollten nur bei Bedarf eingeschaltet werden.
Wenn technische Maßnahmen nicht ausreichen oder nicht realisierbar sind, müssen organisatorische Lösungen ergriffen werden. Dazu gehören angepasste, flexible Arbeits- und Pausenzeiten oder die Verlegung des Arbeitsortes in kühlere Bereiche. Auch Art und Länge des Weges zu und von der Arbeit sollten berücksichtigt werden.
Die Digitalisierung bietet hier neue Möglichkeiten: So kann beispielsweise an besonders heißen Tagen Homeoffice angeboten werden, um die Personenzahl im Raum zu verringern. Eine digitale Raumtemperaturüberwachung kann automatische Warnmeldungen übermitteln. Hilfreich ist, eine Betriebsvereinbarung zum Hitzeschutz abzuschließen, damit die Handlungsoptionen bekannt sind – etwa „an Tagen mit einer zu erwartenden Außentemperatur von mind. 30° C ist Homeoffice-Tätigkeit ohne Rücksprache zugelassen“.
In Fahrzeugen können durch Sonneneinstrahlung lebensbedrohliche Temperaturen über 50° C erreicht werden. Liefer- und Dienstfahrzeuge sollten daher mit UV-absorbierenden Fahrzeugscheiben und möglichst auch mit Kühl-/Klimaanlagen ausgestattet sein.
Bei hohen Temperaturen sollte der Arbeitstakt grundsätzlich gesenkt werden. Zusätzliche Pausen auf Schattenplätzen, veränderte Fahrtrouten zur Vermeidung von Staus und die Bereitstellung von Kühlboxen mit Getränken sind weitere wichtige Maßnahmen.
Beschäftigte, die häufig oder ausschließlich im Freien arbeiten, sind den steigenden Temperaturen und der stärkeren Sonneneinwirkung täglich direkt ausgesetzt. Der Arbeitgeber muss (gemäß § 3a der Arbeitsstättenverordnung, Anhang 5.1) dafür sorgen, dass diese Beschäftigten vor gesundheitsgefährdenden äußeren Einwirkungen wie zum Beispiel UV-Strahlung oder erhöhten Konzentrationen von Luftschadstoffen geschützt sind.
Die persönliche Schutzausrüstung (PSA), bestehend aus geeigneten Kopfbedeckungen, hautabdeckender, luftiger Kleidung sowie einem Augenschutz nach DIN EN ISO 12312-1 oder DIN EN 172 mit Blendschutzkategorie 2, spielt hier eine zentrale Rolle.
Organisatorische Maßnahmen sind mindestens genauso wirkungsvoll: Das Aufstellen von Sonnensegeln, -zelten und -schirmen, verpflichtende Pausen in klimatisierten Räumen, Arbeitsplanung gegen den Sonnenlauf, früher Arbeitsbeginn bei verlängerten Mittagspausen oder eine intensivere Mitarbeiterrotation können die Belastung erheblich reduzieren.
Schwere körperliche Arbeiten sollten grundsätzlich in die frühen Morgenstunden verlegt und zeitlich klar beschränkt werden. Lässt sich auf technisch-organisatorischem Weg kein ausreichender UV-Schutz herstellen, kann der Arbeitgeber sogar verpflichtet sein, den Mitarbeitern kostenfrei Sonnenschutzmittel zur Verfügung zu stellen. Auch auf Insektenschutzmaßnahmen ist zunehmend zu achten.
Sonnenexponierte Mitarbeiter sollten regelmäßig durch den Betriebsarzt untersucht werden.
Die Versorgung mit geeigneten Getränken ist spätestens ab einer Lufttemperatur von 30° C Pflicht. Arbeitgeber sollten daher an heißen Tagen allen Mitarbeitern idealerweise Wasser zur Verfügung stellen, bei starker körperlicher Belastung können auch isotonische Getränke sinnvoll sein. Alkohol oder stark zuckerhaltige, mit Kohlensäure oder Koffein versetzte Getränke (Energy-Drinks) sind ungeeignet. Die Getränke sollten nicht zu kalt sein.
Alle technischen und organisatorischen Maßnahmen nützen wenig, wenn die Mitarbeiter nicht ausreichend informiert und geschult sind. Unternehmen sollten ihre Beschäftigten möglichst vor einer akuten Hitzewelle über präventive Maßnahmen informieren. Regelmäßige Schulungen zu Erster Hilfe bei hitzebedingten Problemen sowie die Sensibilisierung für Eigenverantwortung sind essenziell.
Die Kommunikation sollte dabei proaktiv erfolgen: Frühzeitige Warnungen vor Hitzewellen, tägliche Updates über anzuwendende Schutzmaßnahmen und offene Kanäle für Feedback und Verbesserungsvorschläge schaffen Vertrauen und Akzeptanz.
Künftige Entwicklung beim Hitzeschutz
Der Extremwetterbericht 2024 macht deutlich, dass Unternehmen sich dauerhaft gegen die wachsenden Risiken des Klimawandels wappnen sollten, denn ausgeprägte Wetterlagen mit extremer Hitze und Trockenheit im Wechsel mit Starkregen und Überflutungen werden sich laut Klimaforschern in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch verstärken. Der Hitzeschutz am Arbeitsplatz wird zum Faktor im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte. Unternehmen, die frühzeitig und systematisch in den Hitzeschutz investieren, präsentieren sich als attraktive Arbeitgeber und reduzieren gleichzeitig langfristig Kosten.